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Warum Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou ihre Afrohaar abrasierte

26. April 2017
Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou (1)

Ich freue mich riesig, euch Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou vorzustellen. Sie hat vor einiger Zeit ein Foto mit ihrem neuen Kurzhaarschnitt auf ihrer Facebookseite geteilt und damit viel Aufsehen erregt. Erfahrt mehr über den Grund für den radikalen Haarschnitt und darüber, was sie über Naturalhair Blogger denkt.

Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou zu ihrem neuen Kurzhaarschnitt

Zu Anfang habe ich mich im Spiegel kaum wiedererkannt. Meine neue Frisur schreit förmlich: „Hallo, hier bin ich“!

Anne-Tso Tchissambou wurde in Siegen in Südwestfalen geboren. Für ihr Studium hat sie drei Jahre in Köln gelebt. Seit Sommer 2016 lebt und arbeitet die Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou mit kongolesischen Wurzeln in Canada.

Was hat dich dazu gebracht deine natürlichen Haare zu tragen?
Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou: Den sogenannten „big chop“ hatte ich 2014. Eine nach der anderen entschied sich gegen chemische Glättung und das Tragen von Weaves oder Wigs. „Natural hair“ war plötzlich ein Trend und dieser war in vollem Gange. Wer sein Haar noch relaxed trug, galt als jemand, der sich oder seine Herkunft nicht akzeptierte und wer das kaputte Haar herauswachsen ließ, statt es ganz abzuschneiden, also sog. transitioning, der war noch nicht bereit für den großen big chop. So entstanden auch Stück für Stück Maßstäbe und Richtlinien, denen man gerecht werden musste, wenn man als Natural ernst genommen werden wollte. Mittlerweile finde ich, dass wir die Idee hinter dem big chop zu der Zeit nicht verstanden und das Ziel weit verfehlt hatten. Schließlich geht es nicht nur um das Haarwachstum, sondern auch um die Auseinandersetzung mit seiner Rolle als POC (person of color). Der Heilungsaspekt, den so ein big chop auch mit sich bringt, blieb also aus. Es dauerte daher auch nicht lang an bis ich wieder die nächste Weave drin hatte. Diesmal getarnt als protective style, also um mein Eigenhaar vor Witterung und Belastung zu schützen. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich mein natürliches Haar ab diesem Zeitpunkt kaum mehr für längere Zeit offen getragen. Stattdessen trug ich es in box braids oder crochet braids bis hinzu lace wigs mit krauser Haarstruktur. Der Gedanke dahinter war „fake it until you make it“, sprich eine Illusion von dem zu kreieren was in ein paar Jahren dann mein eigener Afro sein sollte. Eine eher ernüchternde natural hair journey, aber zur Chemie würde ich niemals wieder greifen, nicht einmal zum Texturizer.

Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou

Wie aufwändig war deine Afrohaarpflege?
Anne-Tso Tchissambou: Viel zu aufwändig! Am Anfang habe ich noch höchstmotiviert diverse Afrohaar-Blogs nach Tipps und Tricks durchforstet. Habe Frisuren wie Twist-outs, Braid-outs, Bantu Knots oder Wash’n’Go getragen. Jeden Abend mithilfe der Faden-Methode meine Haare für den nächsten Tag gestretched, meine Haarlinie mit jamaikanischem Rizinusöl eingerieben und massiert. Unmengen an Geld sind in Afrohaarpflegeprodukte geflossen, da man auch erst einmal die richtige Produktreihe für sich finden muss. Was bei der Freundin oder Bekannten super funktioniert, hat mein Haar entweder trocken oder im schlimmsten Fall sogar brüchig gemacht. Zuletzt habe ich dann meine eigenen Mischungen hergestellt mit Ölen aus dem Biomarkt oder der Apotheke. Meine Routine hat sich über die Jahre verändert, aber verwendet wurde alles von nativer Shea Butter, Aloe Vera Gel, Kokosnussöl, Heilerde, Bananen, Eigelb, Apfelessig, Avocados bis hin zu Honig. Meinem Haar tat das auch alles gut, es war dank der Kuren und Masken gesund und wuchs heran, aber spätestens als ich anfing Vollzeit zu arbeiten, wollte ich meine Freizeit nicht mehr dafür opfern, diese intensive Afrohaarpflege zu betreiben.

Wieso trägst du deine Afrohaare jetzt sehr kurz?
Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou: Einerseits habe ich mich aufgrund des Zeit- und Preisfaktors dazu entschieden, mir die Haare abzurasieren, aber der ausschlaggebende Faktor war kein anderer als Trotz. Das muss man einfach so sagen. Für WOC (women of color) sind Afrohaare so viel mehr als nur das. Es ist sowohl ein politisches Statement als auch ein Aushängeschild der eigenen Selbstakzeptanz. Viele schwarze Frauen tragen ihre Afrokrause aus Angst vor Ablehnung von Männern nicht im natürlichen Zustand. Oftmals sind diese ironischerweise sogar selbst schwarz. Anstatt die Vielfältigkeit des Afrohaars zu feiern, werden manche Fros als schöner als andere erklärt. Je größer desto besser. Das Non-Plus-Ultra sind meist die definierten Locken wie sie viele Mischlinge von Natur aus haben und die sich andere Naturals durch stundenlange Vorbereitung erst frisieren müssen. All das führt zu Spannungen innerhalb der eigenen Community, was ich persönlich am Schlimmsten finde. Dann spielen da noch äußere Faktoren wie Alltagsrassismus oder Diskriminierung am Arbeitsplatz mit rein. Vielen von uns ist doch schon ungewollt in den Afro gefasst und mir ist sogar schon an den Braids gezogen worden! Wurde zuvor die Frage „Darf ich mal?“ mit einem deutlichen „nein“ beantwortet, so folgte darauf der Vorwurf, dass man sich doch nicht so anstellen solle, es sei doch nur aus Neugierde und Interesse an dem „Exotischen“ und gar nicht böse gemeint. Das ist es auch meist nicht, aber dennoch ist das meine alltägliche Realität und bin ich kein Erlebnispark. Das geht einem nach der xten Person auf den Nerv. Und genervt war ich von so einigem. Zum einen wären da diverse Afrohaar-Blogger, die auf ihren vorher-nachher Bildern selbst krause Extentions tragen, somit anderen Naturals ein unrealistisches Bild vermitteln und diese sich dann wiederum wundern, weshalb ihre Afrohaare kein exponentielles Wachstum erleben. Zum anderen war ich genervt von selbsternannten uber- Naturals, die sich aus welchem Grund auch immer das Recht herausnehmen, zu definieren, was ein Natural ist und was nicht. All das wollte ich nicht mehr. Jeder sollte frei entscheiden dürfen, wie er sein Haar trägt, ohne dass ihm gleich etwas suggeriert wird. Und ich lege jedem ans Herz – schwarz oder nicht schwarz – sich zumindest ein Mal im Leben die Haare abzurasieren! Es ist eine echt spannende Erfahrung und dazu sieht man auch mal seine Kopfform.

Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou
Wie fühlst du dich mit deinem neuen Haarschnitt. Wie wirst du von anderen wahrgenommen?

Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou: Jeder Mensch hat doch so seinen Wohlfühl-Haarschnitt, zu dem er immer mal wieder zurückkehrt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich diese Kurzhaarfrisur zu meinem entwickeln wird. Sie ist herrlich pflegeleicht, genau wie ich es wollte und ich kann mich hinter nichts verstecken. Sie schreit förmlich: „Hallo, hier bin ich!“. Zu Anfang habe ich mich im Spiegel kaum wiedererkannt, aber mittlerweile ist es zu einem ganz normalen Anblick geworden. Anscheinend wirke ich jetzt älter (ich bin 23 Jahre alt) und strenger auf andere. Das ist für mich in Ordnung, da ich eine recht kindliche Stimme habe, das gleicht sich also aus.

Wie ist das Feedback in deiner Umgebung? Gab’s auch schon negative Kommentare? Wenn ja, wie gehst du damit um?
Frolicious Beauty Anne-Tso Tchissambou: Das Feedback war mehrheitlich positiv. Mit dieser Resonanz hatte ich nicht gerechnet. Viele beglückwünschten meinen „Mut“ oder meine „Courage“, diesen Schritt gegangen zu sein. Ich erhielt sogar Nachrichten, in denen gesagt wurde, dass ich ein tolles Exempel für die schwarze Frau setze. Negative Kommentare gab es erstaunlicherweise kaum. Zumindest nicht direkt an mich gerichtet, was sich die Leute insgeheim denken, kann ich natürlich nicht wissen. Hätte es sie gegeben, wäre es mir heute aber auch nicht mehr nahe gegangen. Ich habe mittlerweile genug Selbstbewusstsein, um das abschütteln zu können. Früher hätte mich das eher getroffen. Ich erinnere mich an Zeiten zurück, in denen ich die verrücktesten Stile und Frisuren ausprobiert habe, um dem westlichen Schönheitsideal gerecht zu werden. Gerade weil ich in einer ländlichen Gegend aufgewachsen bin, in der es kaum Nachfrage für meinen Haartyp gab. Über Make-Up brauchen wir gar nicht erst reden. Da musste man tief in die Trickkiste greifen. Das ist rückblickend wirklich traurig und ich schaue mir auch nur ungern ältere Bilder an. Heute fühle ich mich so viel wohler und freier in meinen Entscheidungen. Ich bin ich selbst. Die kurzen Haare werde ich definitiv eine längere Zeit lang beibehalten.

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Danke Anne-Tso, dass du deine Haargeschichte und Bilder mit uns geteilt hast. Du siehst toll aus mit dem neuen Afrokurzhaarschnitt. Frolicious Beauties sind überall !

Erzähl uns deine Storry. Sende uns eine Email an info@frolicious.de.

 

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